Hallo,
noch ein paar Anmerkungen...
Haben Herausgeber bzw. Fingersatzautoren auch ein Urheberrecht, muss bei ihnen auch evt. eine 70-jährige Frist nach dem Tod abgewartet werden? Zumindest IMSLP wartet diese Fristen nicht ab.
Können Fingersätze als "kreative Beiträge zum Werk" gelten und somit zur Verlängerung der Schutzfrist beitragen?
Ja, umfangreiche dyn. Angaben, Fingersätze, Strichsymbole bei Streicherstimmen, etc. sind urheberrechtlich wieder geschützt. Das heißt, die Schutzfrist verlängert sich entsprechend für diese Ausgaben. IMSLP beachtet dies natürlich, da es das Urheberrecht vorgibt. Siehe auch
IMSLP:Urheberrecht_einfach_gemacht. Abschnitt Europäische Union (EU): "...
Ein Werk ist gemeinfrei, wenn der beteiligte Komponist/Autor/Herausgeber/Librettist seit mehr als 70 Jahren verstorben ist..."
Daß natürlich in Kanada (Serverstandort) nur 50 Jahre Schutzfrist gelten, ist eben länderbedingt. Dadurch sind Werke schon früher gemeinfrei als in Deutschland oder Europa. Das Herunterladen solcher Werke, bei denen die 70 Jahre noch nicht abgelaufen sind, ist in Europa natürlich illegal, aber eben nicht in Kanada, da sie dort schon gemeinfrei sind. (Und Länder müssen nicht die Schutzfristen anderer Länder beachten, dafür sind die User verantwortlich. Daher auch der Disclaimer bzw. die Kennzeichnung Non-PD.)
Meinten Sie das oder haben Sie tatsächlich Werke gefunden, die selbst in Kanada noch geschützt sind aber als Public Domain getaggt? Dann bitte kurz Rückmeldung geben, damit es geprüft werden kann.
Bei Urtext-Ausgaben ist in der EU das Notenbild 25 Jahre geschützt, ist das richtig? Z.B. bei der Neuen Mozart Ausgabe steht, wenn man auf deren Website geht, man dürfe das Angebot nur zu privaten Zwecken nutzen. Eigentlich sollte es aber bereits gemeinfrei sein, bei IMSLP wird die ausgabe für die EU auch bereits als Public Domain gelistet. Das heißt, eine kommerzielle Nutzung wäre auch möglich?
Grundsätzliches zum Thema Wettbewerbsrecht und gemeinfreie Ausgaben" kann man
hier nachlesen, Seite 23. Nachfolgend ein paar Zitate daraus:
...Nutzungshandlungen, die nach dem Urheberrecht zulässig sind, können grundsätzlich nicht über Generalklauseln des Wettbewerbsrechts verboten werden....
Abgesehen von ... Sonderfällen gilt nach deutschem Recht, dass ein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz ... generell nicht in Betracht kommt (Grundsatz der Nachahmungsfreiheit)...
Also zum Glück sehr restriktiv, damit auch das Urheberrechtsgesetzt nicht ausgehebelt werden kann. Aber es gibt eben Ausnahmen, dazu das folgende Zitat:
Ein wettbewerbsrechtlicher Schutz könne ... z.B. dann geboten sein, wenn ein gemeinfreies Werk mit sehr erheblichem ... Aufwand textlich revidiert, entziffert oder in einer neuen Form angeordnet worden ist und es nachgedruckt wird, noch ehe dem ersten Verleger eine angemessene Zeit zur Amortisierung zu Verfügung stand...
Urtext-Ausgaben sind nur 25 Jahre in Deutschland geschützt. Prinzipiell könnte man auch solche Ausgaben nachdrucken und veräußern. Eine alte Ausgabe aus den Sechzigern wie z.B. von der Reger-Gesamtausgabe halte ich für unkritisch. Ich wäre allerdings etwas vorsichtig beim Nachdrucken und Verkauf einer rel. neuen Ausgaben von z.B. 1990.... wegen des zuletzt genannten Zitats, da bei manchen Urtext-Ausgaben ja durchaus ein beträchlicher Aufwand spendiert wird. Wie gesagt, kommt auf den Einzelfall an.
Was Nicht-Urtext-Ausgaben betrifft, sind diese unkritisch und können verkauft werden. Es gibt inzwischen einige Firmen, die nette gebundene Nachdrucke alter Ausgaben verkaufen. Und es gibt auch einige Seiten im Internet, die gescannte alten Ausgaben direkt als pdf (auch von IMSLP...) anbieten. (...gebundene Ausgaben sind noch ok. Aber Leute, die für pdfs Geld bezahlen sind selber Schuld, wenn sie es auf IMSLP kostenlos haben könnten.)
Das heißt das Wettbewerbsrecht kommt nur im Falle einer kommerziellen Verwendung zum tragen, nicht bei der privaten Verwendung?
Ja. Die Worte "private Verwendung" und "kommerziell" schließen sich ja quasi schon gegenseitig aus. Wenn ein Werk public Domain / gemeinfrei ist, können Sie privat damit machen was Sie wollen. Erstens können Sie überhaupt keinem schaden wenn Sie ein Werk ausdrucken, heften und davon spielen, Musik mitlesen, was auch immer, und zweitens weiß ja sowieso niemand was Sie zu Hause machen wenns anders wäre...
etwas seltsam kommt mir jetzt vor, dass das Notenbild / der Notensatz 50 Jahre (wettbewerbsrechtlich) geschützt ist, eine wissenschaftliche Ausgabe aber schon nach 25 Jahren bei IMSLP als Public Domain veröffentlicht werden darf.
Ob etwas gemeinfrei ist oder nicht, entscheidet alleine das Urheberrecht und die darin in den jeweiligen Ländern festgelegten Schutzfristen, und nicht das Wettbewerbsrecht. In Deutschland / EU sind Urtextausgaben nur 25 Jahre geschützt, danach gemeinfrei. In Kanada sind solche Urtextausgaben nicht geschützt (vorausgesetzt die Bearbeitung durch den/die Herausgeber ist nur unwesentlich und mit dem Ziel, die Absichten des Autors wiederzugeben. Und das ist in den meisten Fällen erfüllt. Wenn allerdings z.B umfangreiche neue Fingersätze hinzugefügt werden oder ein Werk / Skizzen rekonstruiert werden zu einem aufführbaren Stück, gilt das natürlich nicht mehr als unwesentlich und darf nicht hochgeladen werden.) Wie gesagt, bei den üblichen Urtextausgaben gilt in Kanada kein Schutz, IMSLP folgt aber trotzdem der 25-Jahre-Frist wie in der EU.
HP